Texte

 

Gedankenlinien

Ein Strich
ein Strich
ein Strich
ein Gedankenstrich ————————————————————————————————
trennt – verbindet
die Gedankenfreiheit – die Gedankenleere
ich webe mir Gedankenmuster
strukturellen Denkens
Texturen
verworren
gradlinig
drehen sich Gedanken im Kreis um sich selbst
schichten Schicht für Schicht für Schicht
ein Gedankendickicht
Gedankengänge
verbinden Gedanken von Punkt zu Standpunkt zu Punkt
Gedankenspiele
verbinden Gedanken undurchsichtiger Schattierungen dicht wie ein Gefüge
ein Gedankenstrich trennt und verbindet
die Gedankenfreiheit – die Gedankenleere
ich habe keinen Gedanken
ich bin kein Gedanke
ich folge keinem Gedanken
ich suche keinen Gedanken
ich finde keinen Gedanken
ich bin gedankenlos
das ist mein Gedankenlos
ich denke nicht
ich denke nichts
ich denke gedankenlos
GedankenGedankenGedankenGedankengedankengedankengedanken
GedankenGedankenGedankenGedankengedankengedankengedankenG
ich ziehe inhaltslos Gedankenlinien
meine Gedanken ziehen mich ins Nichts
ich denke Linien Linien denken mich
ein Strich
ein Strich
ein Strich
ein Gedankenstrich————————————————————————————————-
trennt und verbindet
die Gedankenfreiheit – die Gedankenleere

 

Franco Melis

Herr Koluna – abstrakte Bilder

 
Herr Koluna fragte sich, was sind eigentlich abstrakte Bilder oder gegenstandslose

Bilder oder Bilder, die nichts konkretes abbilden oder nachbilden? Und er fragte sich,

ob der Mensch der Wirklichkeit etwas hinzufügen konnte oder ob er nur das Vorgefundene variieren kann? Und- wann man sagen kann-es ist etwas Neues entstanden? Herr Koluna saß in einem Kurpark und schaute mal wieder auf einen Springbrunnen. Sieht aus wie ein Geysir, dachte er. Auf dem Wasser schwammen drei

große, blaue Kugeln. Schöne Idee ging es ihm durch den Kopf. Und dann stürmte es in ihm los: Was ist eine Idee – eine abstrakte Idee – eine konkrete Idee? Was sind Begriffe?

Was begreife ich ohne Begriffe? Der Himmel ist blau. Das ist einfach. Da ist aber eigentlich gar nichts – nur Raum. Ist denn Raum nichts, oder anders gefragt: Wann wird aus dem Nichts ein Raum? Durch seine Begrenzung – z.B. Wände – aber was ist dann mit dem Universum, das unendlich ist, ohne Wände? Vielleicht braucht es ja keine Wände, oder eine andere Art der Begrenzung, um aus dem Nichts einen Raum zu machen. Vielleicht reicht ja ein Planet, auf den sich das Nichts beziehen kann, um damit zum konkreten Raum zu werden – und wäre der Planet auch noch so klein, vielleicht sogar nur ein Punkt. Die Gedanken von Herrn Koluna rasten immer weiter –

ja ein Punkt, oder nur ein Licht – also eine Schwingung – etwas, das sich im Nichts anders verhält als das restliche Nichts – vielleicht sogar nur ein Gedanke, eine Empfindung, ein Wort.

Koluna wurde schwindelig – er bemerkte, dass er an den Punkt gekommen war, sich zu fragen: Ob die Abwesenheit aller Dinge das Nichts bedeutet? Und mit Abwesenheit meinte er die Abwesenheit der Materie, des Lichts, des Raums, der Energie – bis nichts blieb was er kannte und auch- was er nicht kannte. Und ob das der Ursprung sein konnte – Nein – Wie das der Ursprung sein konnte oder auch das Ende? – –Denn wohin sollten sich die einzelnen Elemente verkriechen, um das Nichts , nicht von vorneherein zum Sein werden zu lassen oder das Sein irgendwann zum Nichts?

Komisch, dachte Koluna, das Nichts ist so leicht zu denken und gleichzeitig undenkbar.

Und wenn das Nichts undenkbar ist, bedeutet es die ewige Anwesenheit des Seins – bleibt die Frage, wieso ist eigentlich Materie da oder Licht oder Energie, wenn es keinen Ursprung haben kann – aus dem Nichts oder der Ewigkeit?

Also Nichts ist undenkbar, aber das Sein ohne Ursprung ist auch undenkbar – allerdings doch existent. Koluna lächelte. Da hatte er das Denken wieder schön in seine Schranken verwiesen. Solange denken lassen, bis es an seine Grenzen stößt – dem Undenkbaren.

Und damit – muss sich das Denken selbst in Frage stellen. Und was bleibt dann?

Die Phänomene an sich – Körper, Formen, Farben, Energie – und man muss doch sehr vorsichtig sein, dass man die Phänomene nicht mehr würdigt, weil man Wörter und Begriffe dafür hat – die einem vorgaukeln, man hätte das Geheimnis schon gelüftet und das Wesentliche bereits verstanden. Und wie erfrischend ist es doch immer wieder etwas zu sehen, für das ich noch keinen Begriff habe. Da fiel Herrn Koluna seine Anfangsfrage ein: Was sind eigentlich abstrakte Bilder, oder gegenstandslose Bilder oder Bilder, die nichts konkretes abbilden oder nachbilden?

Vielleicht das Loslösen fester Begriffe und die Suche nach:

Was habe ich noch nicht gesehen? Oder

Was will ich sehen? Oder

Was will sich sehen lassen, im Sein ?

Schön das Wasser, dachte Herr Koluna und spazierte

durch den Kurpark mit Wörtern und Begriffen.

Franco Melis